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(Touristische) Überhitzung

Es war nur eine Frage der Zeit, und nun ist es soweit: Anwohner und Behörden schalten sich ein in eine Barcelonesiche Erscheinung, die in den letzten Jahren unheimliche Ausmaße angenommen hat: Das Vermieten von Wohnungen an Touristen.

Wenn man sich nach einer Urlaubsbleibe in Barcelona umschaut, stellt man fest, dass es tatsächlich sehr viele Wohnungen und Zimmer gibt, die ganz offensichtlich nicht vorübergehend sondern permanent an Touristen vermietet werden. Natürlich stellt diese Möglichkeit eine reizvolle Alternative zum überteuerten Hotelmarkt in Barcelona dar, aber wie immer ist es eine Frage der Masse, bis so etwas überkocht. Besonders die Bewohner der Altstadt fühlen sich nun von der Stadt im Stich gelassen, denn die Teilzeit- Nachbarn stellen für sie eine weitere Plage dar: Nachdem ihre Straßen in den Neunziger Jahren begehbar gemacht wurden und sich die Drogen- und Kleinkriminalität irgendwann mal auf ein normales Maß reduziert hatte, kamen die Bars und Discos, die die ständig steigende Anzahl der jungen Besucher der Stadt anzogen und den Lärm in den engen Gassen zum Teil unerträglich gemacht haben (dass mit ihnen auch wieder mehr Diebe und Räuber angezogen wurden, ist ein anderes Problem). Disco- und Barbetreiber versuchen seither, ihre Gäste mit Schildern und Pantomimen zur Ruhe zu erziehen – die Anwohner bedienen sich dem Wassereimer. Das insbesondere bei spanischen Jugendlichen beliebte Sammeln auf öffentlichen Plätzen zwecks gemeinsamer Freiluftbetankung wurde in den letzten zwei, drei Jahren durch die hohe und unerbittliche Präsenz der lokalen Polizei eingedämmt, nachdem sich auch viele randalefreudige Ausländer in den Billigflieger setzten und im immer schön warmen Katalonien mitzu- ja was denn eigentlich?

Jetzt also sind die Besucher auch noch zu Nachbarn geworden und verhalten sich völlig überraschend nicht so, wie es die enge und überhaupt nicht schallgeschützte Bebauung erfordert (das ganze findet natürlich nicht nur in der Altstadt statt, aber die Auswirkungen sind hier am deutlichsten spürbar). Die zuständigen Ämter (Wohnungs- und Gewerbeamt) rufen daher jetzt die Anwohner auf, illegale Pensionen und verdächtige Wohnungen zu melden, denn schließlich kann die Stadt nicht tatenlos zusehen, wenn mit einer Wohnung durch die Vermietung an Touristen mal eben drei Mal so viel verdient wird wie durch die Vermietung an dauerhafte Bewohner. Zumal das Thema bezahlbare Wohnungen ohnehin so eines ist (ich sag nur 2% sozialer Wohnungsbau – in Deutschland knapp 25%).

Das ganze ist eine lange Entwicklung, die die immer gleiche Ursache hat: Barcelona ist toll für so ziemlich jeden, der sich dort eine Zeit lang aufhalten möchte, und die Stadt kommt nicht hinterher und ist zugleich Gott sei Dank nicht willens, sich daran anzupassen: Arbeitgeber zahlen Europäische Gehälter und zieht somit zunehmend finanziell potente Mieter und Wohnungseigentümer an, die Universitäten bauen ständig auf und aus, Messen holen immer mehr zahlungskräftige Besucher in die Stadt, die ein Hotelzimmer unbezahlbar machen, günstige Airlines und die Sonne locken immer weiter Jugendliche an, die die Straßen der Altstadt vollstopfen, all das ist ein reizvolles Terrain für Taschendiebe aller Länder und so weiter und so fort.

Ich hoffe sehr, dass es irgendwann ein Ende findet – wenn Barcelona- Tipps nicht mehr in jeder Brigitte- Ausgabe stehen – und sich alles ein wenig normalisiert. Und dass die links- rebellische Katalanische Seele dann noch immer aufbegehrt, die dieser Entwicklung der letzten fast schon zwanzig Jahre mit Stolz und Abscheu zugleich begegnet.

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Now playing: Fat Freddy’s Drop – Wandering Eye
via FoxyTunes

14.12.2007 Nachtrag: Die Ramblas platzen aus allen Nähten: Fast 215.000 Besucher jeden Tag: !Hostia! Davon übrigens kaum jemand aus Barcelona, aber wen wundert’s bei den Preisen und vielen Touristen.


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