Posts Tagged 'Katalonien'

Die Stimmen des Flusses von Jaume Cabré

Ich hatte ein wenig Angst vor dem Wälzer – nicht weil er einer ist, sondern weil Kristine Westermann den Klappentext gab. Indes: Meine Zweifel wurden nach und nach und nach und nach in den Wind gepustet, und je länger ich las, desto erfreuter war ich. Der Roman entführt einen tief in die Katalanische Seele. Eine Zeitreise mit vielen Stationen von der Nachkriegszeit über die 50er, 60er, 80er Jahre bis ins neue Jahrtausend. Ein ausgesprochen leicht lesbares Buch, das mich -zugegeben- auch auf Grund seiner Katalanität ansprach und immer wieder zum Schmunzeln brachte, das aber vor allen Dingen im Laufe der Geschichte eine Erzählweise an den Tag legt, die mich am Ende fast umhaute. Es ist wahre Sprachkunst, in der Jaume Cabré hier vorgeht. Nicht so sehr ist es die Schönheit der Sprache -im Gegenteil, die ist manchmal sogar recht profan- sondern die Technik, die einen in ihren Bann zieht. Sie entfaltet eine sehr eigene Schönheit, die es lohnt zu erleben.

Wer keine Angst vor vielen Seiten hat und Bock auf ein wenig Historie und ein wenig Schmalz und viel Spannung und viel Freude an der Literatur, der soll ruhig zugreifen. Lohnt sich, und geht schnell.

Ich bin übrigens nicht allein mit meiner Wahrnehmung.

La Revolta Permanent

Ich war gestern im Kino, im 3001, denn es sind mal wieder Spanische Kinotage, los Wochos quasi. Gestern habe ich mir La Revolta Permanent angeschaut, eine Dokumentation über zwei Dinge: Den Sänger Lluís Llach sowie die Ausschreitungen Baskischer Arbeiter 1976 in Vitoria.

In einer abwechslungsreichen, teilweise durchaus verwirrenden Art und Weise wird zwischen der Entstehung der Lieder des Katalanischen Volkshelden und den Begebenheiten in Vitoria hin- und hergesprungen. Wer mit den historischen Abläufen nicht vertraut ist, dürfte seine Schwierigkeiten haben, und der Sprachmix (Llach wird fortlaufend auf Katalan interviewt, die Augenzeugen aus Vitoria auf Spanisch, dazu wunderbare weiße, Englische Untertitel auf weißem Grund) tut sein übriges. Aber.

Die Mischung aus Bildern, Gesprächen mit Angehörigen der Opfer, der verschiedenen Sprachen und dieser Musik, dieser theatralischen, ausdrucksstarken Musik von Llach machte mich einfach fertig. Beseelt verließ ich das Kino, und der Hamburger Himmel gab sich große Mühe, meiner Stimmung den passenden Rahmen zu geben:

Kino 3001 in Hamburg, 7.Juli 2007

Anschließend stieg ich auf mein Fahrrad, sah mir alle möglichen neuen Läden in der Wohlwillstraße und der Clemens-Schultz-Straße von außen an, beobachtete fröhliche Leute bei ihrer Privatfeier und traf schließlich auf Massen betrunkener Vollidioten auf dem Heiligen-Geist-Feld, die dort das Ende des Schlagermoves feierten.

Ende des Schlagermoves 2007

Während ich mein Fahrrad durch die Leute hindurch schob, weilte meine Seele im Camp Nou unter 100.000 Menschen, die dort 1985 einem Konzert von Llach beiwohnten und ein atemberaubendes Zeugnis ihrer eigenen revolta permanent ablegten. Man mag die Musik finden wie man will, kein Zwiefel, aber wem dabei nicht das Herz aufgeht, der hat keine Ahnung.
Auf Youtube gibt es diverse Ausschnitte davon. Unter einem findet noch ein kleiner Dialog statt, weil jemand wissen möchte, in welcher Sprache dort gesungen würde:
„Is it Spanish or Portuguese?“ wird gefragt.
„Is Catalan“ lautet die knappe Antwort.

Lluís Llach hat im März dieses Jahres in Verges sein letztes Konzert gegeben. Dieser Tage erscheint der Mitschnitt als dreiteilige CD.

6. bis 18. Mai 2006

Wenn ich ein Foto aus diesen Tagen sehe, zittere ich noch immer. Heute vor einem Jahr war ich dabei, als sich Barça zu Hause den Titel sicherte. Siegerehrung und Ehrenrunde in Camp Nou 2006

Nach dem Spiel stellte ich am Canaletes, dem unscheinbaren Brunnen am oberen Ende der Ramblas, fest, dass es einen riesengroßen Unterschied zwischen dem vornehmen, stillen Stadionfan und dem gemeinen Fan gibt in Barcelona: Es war schlicht die Hölle los bis in den frühen Morgen. Am darauf folgenden Sonntag zog die Mannschaft im offenen Vereinsbus durch die gesamte Stadt, und etwa 600.000 Menschen waren dabei, um die Lokalhelden zu feiern, die in Katalonien zugleich Nationalhelden sind.

Die Stadt kam in den nächsten Tagen nicht zur Ruhe, stand doch auch noch das Finale der Champions League in Paris bevor. Auch dort wurde bekanntermaßen der Titel geholt, und dann brachen alle Dämme, die die zurückhaltende Kultur der Stadt noch mit Fassung trug. Feuerwerke wurden abgebrannt als gäbe es kein Morgen, Canaletes, gerade wieder sauber, wurde beinahe in Schutt und Asche gelegt:

Light my Brunnen

Die wenigen Meter von dort nach Hause dauerten anschließend Stunden, jeder wurde umarmt, jeder. Und jeder, wirklich jeder war dabei, als die Mannschaft zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen direkt vor der Nase von über einer Million sie vergötternder Menschen herumkutschiert wurde und zeigte, was den Menschen bei uns schwer ist zu erklären: Dieser Sieg war so wichtig für die Bewohner der Stadt wie für uns die Weltmeisterschaft. Da standen sie, die betrunkenen Edmilsons und Mottas und kicherten und sangen und wussten: Wir sind eins mit Euch. Visca el Barça, visca Catalunya.


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